Landtagswahl – MdL Rolf Kahnt im Interview mit Anna Meister vom Bergsträßer Anzeiger
04.10.2023 Die Partei sei zu keinem konstruktiven Diskurs in der Lage, berichtet er im Interview mit dieser Zeitung.
Bergstraße. „Je weniger AfD, umso mehr blüht im neuen hessischen Landtag das demokratische Miteinander“, erklärt Rolf Kahnt . Im Interview mit dem BA spricht das ehemalige Mitglied der AfD-Fraktion im hessischen Landtag darüber, weshalb er 2013 Mitglied der Partei wurde, den Wandel der AfD, seinen Austritt und über die zunehmende mangelnde Expertise der Partei zu zentralen politischen Fragen.
Was hat sie dazu bewogen, Mitglied der AfD zu werden und den Bergsträßer Kreisverband mitzugründen?
Rolf Kahnt: Die AfD, zuerst bekannt als „Wahlalternative 2013“, setzte sich aus verschiedenen Bündnissen mit konservativem Hintergrund zusammen. Infolge der Finanzkrise von 2010 bestanden ihre thematischen Schwerpunkte in einer EU- und Euro-kritischen Haltung. Dafür zeigte ich schon allein aus beruflichen Gründen als Studienrat für Politik und Wirtschaft ein besonderes Interesse, zumal an der Parteispitze mit Ökonomieprofessor Bernd Lucke und der ehemaligen Unternehmerin Frauke Petry glaubwürdige Personen standen, die zu keinem Zeitpunkt radikales, schon gar nicht rechtsextremes Gedankengut vertraten.
Die damaligen Spitzenvertreter wandten sich inhaltlich keineswegs gegen Europa an sich, sondern kritisierten an den verschiedenen Rettungspaketen gegenüber Griechenland und anderen EU-Mitgliedsstaaten, dass geltende EU-Konvergenzkriterien völlig missachtet beziehungsweise fallen gelassen wurden.
Das hat mich bewogen nach reiflicher Überlegung der AfD beizutreten, obwohl ich bis dato nirgendwo eine Mitgliedschaft in einer Partei anstrebte. Es motivierte mich zudem, die Partei auch regional nach Kräften zu unterstützen, zumal die junge Partei auf die Gründung von Landes- und Kreisverbänden dringend angewiesen war.
Wie hat sich die Partei innerhalb der Jahre ihrer Mitgliedschaft gewandelt?
Kahnt: Dass diese Zielsetzungen erstmals ins Wanken gerieten, weil andere inhaltliche Schwerpunkte sich vermehrt in den Vordergrund drängten, war auf die Gründung des Thüringer AfD-Landesverbands durch Björn Höcke zurückzuführen. Ohne ihn und seine nationalistischen und fremdenfeindlichen Überzeugungen hätte es womöglich mit einer Mehrheit bürgerlicher und auch gesellschaftlich anerkannter Persönlichkeiten mit der AfD eine andere Partei geben können.
Es zeichnete sich jedoch relativ früh ab, dass das bürgerliche Image der AfD sich gerade und auch über die in meinen Augen vehement abzulehnenden Äußerungen Höckes mehr und mehr dem Rechtspopulismus und in Teilen rechtsextremen Positionen annäherte. Bürgerliche Kräfte wurden kaltgestellt, nach und nach verließen bundesweit angesehene Mitglieder die AfD, nachdem das politisch rechte Spektrum die Oberhand gewann.
Der hessische AfD-Landesverband muss inzwischen trotz fadenscheiniger anderslautender Beteuerungen als ein Verband von in Unterströmung Höckes politischen Auffassungen geführter gelten, denn nirgendwo hat es entsprechende Ablehnung gegeben. Was mir in Hessen wie auch auf Bundesebene an der Entwicklung im Rahmen meiner Mitgliedschaft auffiel: es gibt immer weniger AfD-Expertise, die zu politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen fundierte Lösungsansätze anbieten kann.
Denken wir weiter an die in Teilen rassistische, inhumane Haltung der Partei gegenüber Geflüchteten, ihre absurden Haltungen zu den Corona-Maßnahmen oder ihre nirgendwo distanzierte Position zum verbrecherischen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Diese benannten Entwicklungen waren und sind für mich Auslöser, der AfD den Rücken zu kehren. Würde ich gefragt, ob die AfD bei den anstehenden hessischen Landtagswahlen am 8. Oktober gewählt werden sollte, wäre meine Antwort ein klares Nein.
Gab es ein Schlüsselerlebnis, das sie bewog, aus der Partei auszutreten?
Kahnt: Zu einem Schlüsselereignis gehörte, dass mich die AfD-Fraktion im Landtag nach Stasi-Manier bespitzelte und meine Abstimmungen im Landtag dokumentierte, obwohl es ausdrücklich keinen Fraktionszwang gab. Dass Abgeordnete, wie es Artikel 38 des Grundgesetzes vorsieht, allein ihrem Gewissen verpflichtet sind, das kümmerte die AfD-Fraktion herzlich wenig. Es häuften sich danach parlamentarische Anlässe, bei denen ich der AfD-Auffassung wegen ihrer Absurdität und ihres Widersinns noch dazu bei fehlender elementarer Expertise nicht mehr zu folgen willens war. Das führte nahezu zwangsläufig zum Abschied von der AfD, der im Nachhinein auch etwas früher hätte erfolgen können beziehungsweise müssen. Das werfe ich mir trotz neuer, anderweitiger politischer Orientierung in manch stiller Stunde durchaus noch vor.
Sind sie auch weiterhin politisch aktiv oder können Sie es sich vorstellen, wieder Mitglied einer Partei zu werden?
Kahnt: Ich bin bis zum Ende der 20. Wahlperiode am 18. Januar 2024 Mitglied des Hessischen Landtags. Neben meinem hessischen Landtagsmandat bin ich seit 2016 noch in der Stadt Bensheim als Stadtverordneter kommunalpolitisch aktiv. Bis 2026 stehe ich in der Funktion als Fraktionsvorsitzender der Fraktion VuA (Vernunft und Augenmaß) in kommunalpolitischer Verantwortung.
Ist die AfD Ihrer Meinung nach eine demokratische Partei oder gefährdet eine solche in Teilen offen rechtsgerichtete Partei die Demokratie?
Kahnt: Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei. Mit ihrer zunehmenden Radikalisierung und teils rechtsextremen Auffassungen, die den Verfassungsschutz inzwischen veranlasste, sie zumindest in Teilen als eine verfassungsrechtlich zu beobachtende Partei einzustufen, scheint sie unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in Zweifel zu ziehen, indem sie ihre oft absonderlichen politischen Auffassungen gegen einen allgemeinen anerkannten Wertekodex stellt.
Sie versucht, mit oft ungeheuerlichen Behauptungen, unsere Gesellschaft zu spalten und in ihrem Sinn zu beeinflussen. Dieses Gegeneinander gefährdet unser gesellschaftliches Miteinander, auf das jede demokratische Gesellschaft angewiesen ist.
Mit Blick auf die Landtagswahl: Ist die AfD in der Lage, mehr zu bewirken als andere Parteien?
Kahnt: Klares Nein. Die sich dem Ende zuneigende 20. Wahlperiode des Hessischen Landtags hat mir und anderen im Landtag vertretenen Parteien auf vielen Ebenen gezeigt, ob in der Wirtschafts- oder der Sozialpolitik, beim Wohnungsbau oder im Umweltschutz, dass die AfD-Fraktion zu keinem vernünftigen, konstruktiven und lösungsorientierten Diskurs in der Lage ist, weil ihr neben abenteuerlichen Auffassungen schlichtweg die notwendige und erforderliche Expertise fehlt, die in einem Landesparlament, dem höchsten hessischen Verfassungsorgan, unverzichtbar ist. Je weniger AfD, umso mehr blüht im neuen hessischen Landtag das demokratische Miteinander. Daher sollte es uns allen wert sein, am 8. Oktober wählen zu gehen. Eine geringe Wahlbeteiligung nützt nur der AfD.
Link zum Originalbeitrag des Bergsträßer Anzeigers Rolf Kahnt warnt eindringlich vor der AfD (bergstraesser-anzeiger.de)