Rolf Kahnt verlässt die AfD
Landtagsabgeordneter Rolf Kahnt, Alterspräsident des Hessischen Landtags, erklärt am 12. Juni 2021 seinen Austritt aus der AfD. Der frühere hessische Landessprecher der Partei begründet seine Entscheidung mit zunehmend rechtsextremen Entwicklungen der AfD auf Bundes- und Länderebene, die inzwischen u.a. zu Beobachtungen durch den Verfassungsschutz führten. Einer Partei, die bereits in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet werde, wolle Kahnt nicht länger angehören, zumal der formell aufgelöste „Flügel“ im Hintergrund nach wie vor das Heft des Handelns in der Hand habe. Die AfD sei nicht mehr die Partei, der er im März 2013 beigetreten sei, und sie werde es auch nicht mehr. Das oft bemühte, angeblich „bürgerlich-konservative“ Profil sei angesichts realer Mehrheitsverhältnisse innerhalb der AfD nach weit rechtsaußen nicht mehr als ein Feigenblatt.
Zusätzlich habe für ihn das beschämend parlamentarische Auftreten der AfD-Fraktion im Hessischen Landtag, das nur auf Provokation ausgerichtet und ohne fachliche Kompetenz versehen sei, was selbst innerhalb der eigenen Fraktion wahrzunehmen sei, den Ausschlag gegeben, dieser AfD endgültig den Rücken zu kehren. Der nunmehr fraktionslose Abgeordnete wolle nicht länger als Noch-Mitglied der AfD in Mithaftung genommen werden. Deshalb sei sein Parteiaustritt überfällig geworden. Kahnt werde dagegen seine politische Arbeit als fraktions- und parteiloser Landtagsabgeordneter verantwortlich zum Wohle Hessens fortsetzen.
Der pensionierte Studienrat und Diplom-Pädagoge aus Bensheim gehörte im Frühjahr 2013 zu den Gründungsmitgliedern des Kreisverbandes Bergstraße. Kahnt war in hohe Führungsämter der Partei gewählt worden. So als langjähriger Kreissprecher, Kreistagsmitglied, Stadtverordneter, stellv. Leiter des Landesfachausschusses Bildung und als Mitglied des Bundesfachausschusses Bildung sowie des AfD-Bundeskonvents. Von 2015 bis 2017 war Kahnt außerdem hessischer Landesvorsitzender. Bei der Landtagswahl im Herbst 2018 errang er über die Landesliste einen Sitz im 20. Hessischen Landtag. Am 18. Januar 2019 leitete Kahnt als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Landtags. Seine Fraktion wählte ihn im Januar 2019 u.a. zum bildungs- und kulturpolitischen Sprecher.
Allerdings traten im Kulturpolitischen Ausschuss des Landtags und innerhalb der Fraktion zwischen ihm und Fraktionskollegen, die einer für Kahnt nicht länger zu tolerierenden politischen Richtung angehörig sind, nach einigen Monaten gravierend unterschiedliche politische Auffassungen zutage. Fraktionsvorstand und Fraktion hätten laut Kahnt zudem nirgendwo Interesse gezeigt, erkennbare Differenzen zu klären oder zu beseitigen und einen anderen politischen Weg als den bisherigen zu bestreiten. Die Missstände führten schließlich im Januar 2020 dazu, dass Kahnt als bildungspolitischer und auch als kulturpolitischer Sprecher von seiner Fraktion mehrheitlich entbunden wurde, obwohl er sich am Tag seiner Abwahl im Auftrag seiner Fraktion auf Dienstreise in Berlin befand. Nachdem die AfD-Landtagsfraktion darüber hinaus über ihn und auch über seinen Kollegen Rainer Rahn akribisch angelegte „Verfehlungslisten“ geführt hatten, die Rahn völlig zu Recht mit Stasi-Methoden verglich, wurde Kahnt am 20. Oktober 2020 ohne jeden interfraktionellen Dialog aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen.
Daraufhin ist mit Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans Jochen Reinert aus Münster (Hessen) beim Bundesverfassungsgericht ein Organstreitverfahren gegen die AfD-Fraktion eingeleitet worden. Dieses zielt auf die gerichtliche Feststellung, dass der Fraktionsausschluss den Abgeordneten Kahnt in seinem durch die Hessische Landesverfassung geschützten Recht verletzt, sein Mandat ungehindert und ohne Nachteil ausüben zu können. Nach Kahnts Auffassung sei die Ausschlussentscheidung erkennbar rechtswidrig und willkürlich zustande gekommen. Sie werde weder durch einen auch nach der Satzung der AfD-Fraktion erforderlichen wichtigen Grund getragen noch entspreche sie dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Trotz seines Parteiaustritts sieht sich der Landtagsabgeordnete allerdings zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte gezwungen, das Verfahren in Karlsruhe zwecks gerichtlicher Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Fraktionsausschlusses fortzuführen. Kahnt stellt abschließend heraus, dass nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu seinen Gunsten er selbstverständlich keineswegs die Absicht verfolge, einer AfD-Fraktion wieder anzugehören.