Widersprüchliche Aussagen, falsche Einschätzungen und Kehrtwenden des Robert Koch-Instituts (RKI) gab es während der Corona-Epidemie leider genügend. So ließ der Präsident des RKI, Prof. Wieler, Deutschland am 22. Januar zur besten Sendezeit in der Tagesschau wissen, er gehe davon aus, „dass nur wenige Menschen von anderen Menschen angesteckt werden können“, und am gleichen Tag auf 3sat: „Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich das Virus nicht sehr stark auf der Welt ausbreitet.“ Noch am 24. Februar, als in Norditalien schon 11 Gemeinden zur Eindämmung des Virus zu „Roten Zonen“ (Sperrgebieten) erklärt wurden prognostizierte Prof. Wieler für eine Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland: Man müsse „das ganz nüchtern betrachten, ähnlich wie eine Grippewelle.“
Weitere Verwirrung lösten Aussagen des RKI zu Schutzmasken, die nichts brächten Einreisebeschränkungen, die nicht erforderlich seien, bis hin zu der Frage, ob ein Mensch an oder mit dem Virus gestorben ist, aus. Das RKI unterscheidet hier nicht. Die durch das RKI herausgegebene Empfehlung, an Covid-19 verstorbene Menschen nicht zu obduzieren, warf dazu noch mehr Fragen als Antworten auf. Freilich haben wir heute, sowohl trotz als auch wegen des RKI, deutschlandweit Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln, sowie eine noch immer andauernde weltweite Reisewarnung.
Am 30. April 2020 wurde Prof. Wieler auf Focus-online wie folgt zitiert: „Wir sehen, dass in Deutschland die Übersterblichkeit steigt.“ Man habe noch keine aussagekräftigen, belastbaren Zahlen, aber erkenne den Trend. Besonders in Hessen und Berlin erkenne man eine deutliche Übersterblichkeit.“ Nur wenige Tage zuvor, am 21. April 2020, gab das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) auf hessenschau.de bekannt, dass in Hessen seit März pro Tag zwischen 160 und 170 Menschen verstorben seien. Dr. Helmut Uphoff (HLPUG), der die Sterbezahlen der hessischen Kommunen auswertet, wurde in den Medien dahingehend zitiert, dass „das vergleichsweise wenig sei“. Eigentlich seien, so Dr. Uphoff, in dieser Jahreszeit 160 bis 200 Tote pro Tag zu erwarten, also mehr als derzeit.
Diese diametral entgegengesetzten Aussagen einer Hessischen Landesbehörde und der Bundesbehörde RKI veranlassten mich, mittels einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung herauszufinden, welche der beiden Aussagen denn nun korrekt ist. Diese Frage ist aus zweierlei Gründen wichtig: Zum Einen stand die Glaubwürdigkeit einer Landesbehörde im Gegensatz zu einer Bundesbehörde zur Disposition, zum Anderen muss man fragen, ob zwei Behörden durch völlig gegensätzliche Aussagen zum gleichen Thema die Bevölkerung verunsichern dürfen. Es kann in diesem Fall nur eine Aussage stimmen.
Um es kurz zu machen: Die Beantwortung meiner Anfrage durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration ergab, dass die Aussagen der Hessischen Behörde korrekt sind! Die Sterbefälle in Hessen bewegen sich, Stand 25. Mai 2020, weiterhin im für die Jahreszeit zu erwartenden Bereich. Meine Kleine Anfrage zur Gesamtsterbezahl in Hessen sowie die Beantwortung durch das Ministerium können unter dem Menüpunkt Parlamentarische Initiativen nachgelesen werden.
Aus welchen Gründen das RKI bzw. dessen Präsident, Prof. Wieler, diese Falschmeldung in überregionalen Medien verbreiteten, bleibt dahingestellt. Es reiht sich aber in die o.g. Fehleinschätzungen und widersprüchlichen Aussagen der Behörde ein. In diesem Zusammenhang muss hinterfragt werden, ob es in einer Krisensituation wie der derzeitigen generell sinnvoll ist, dass die Bundesregierung von einer von ihr abhängigen Institution beraten wird.
Das Robert Koch-Institut ist eine selbstständige Bundesoberbehörde und direkt dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellt.
Ich hoffe, dass ich mit meiner Kommentierung einen Beitrag habe leisten können, der die eingangs gestellte Frage „Aufklärung oder unnötige Panikmache? zumindest in Ansätzen beantwortete. Über Rückmeldungen der geschätzten Leserschaft würde ich mich freuen.