Die jahrelange Hängepartie zwischen der Landesregierung Hessen und dem türkischen Moscheeverein DITIB hat am 28. April endlich ein Ende gefunden. Die seit 2012 bestehende Kooperation zwischen dem Land Hessen und DITIB zur Durchführung des bekenntnisorientierten Islamunterrichts an 56 Grundschulen und 12 weiterführenden Schulen wird nach den Sommerferien ausgesetzt. Hessen war das erste und bislang einzige Bundesland, das den bekenntnisorientierten Islamunterricht in Kooperation mit einem islamischen Verband an Schulen einführte.
Kultusminister Prof. Dr. Lorz ließ zur Beendigung der Kooperation mit DITIB verlautbaren: „Diese Entscheidung habe ich getroffen, weil – ausweislich der aktualisierten Gutachten – die Zweifel an der Erfüllung der notwendigen Kriterien durch DITIB Hessen weiterhin nicht im notwendigen Maße ausgeräumt werden konnten. Aus heutiger Sicht ist auch nicht zu erwarten, dass die Defizite in absehbarer Zeit beseitigt werden können. Dies betrifft insbesondere die Frage der hinreichenden Unabhängigkeit DITIB Hessens vom türkischen Staat. Aufgrund dieser ungünstigen Prognose lässt sich der DITIB-Hessen-Religionsunterricht bis auf Weiteres nicht mehr fortsetzen.“
Ich begrüße die Beendigung der Zusammenarbeit mit DITIB. Diese Entscheidung war lange überfällig und konnte auch nur so gefällt werden. Ein entsprechender parlamentarischer Antrag nebst Begründung wurde von mir bereits am 29. Januar 2019 in den hessischen Landtag eingebracht. Am 28. Februar 2019 habe ich dazu eine Rede im Hessischen Landtag gehalten und dabei bereits eindringlich auf viele kritische Punkte hingewiesen, die sich aus der Zusammenarbeit mit DITIB ergeben haben und auch weiterhin ergeben können.
Es bleibt nun abzuwarten, in wie weit sich der mit Beginn des Schuljahres 2019/2020 bislang nur für die Jahrgangsstufe 7 in Hessen eingeführte Islamkundeunterricht in alleiniger staatlicher Verantwortung innerhalb der muslimischen Gemeinde etablieren kann. Dieser Islamkundeunterricht ist mithin nicht mehr bekenntnisorientiert, sondern sieht als Unterrichtsgegenstand die Informationsvermittlung des islamischen Glaubens vor, wie er sich etwa in geschichtlicher Hinsicht darstellt. Wie der hessische Kultusminister in seiner Verlautbarung über die Beendigung der Kooperation mit DITIB bereits erklärte, mussten dabei auch politische Entwicklungen in der Türkei einbezogen werden: Im Juni 2016, also nur wenige Tage vor dem Putschversuch in der Türkei, in der Nacht vom 15. auf 16.07.2016, führte der DITIB- Landesverband Hessen eine Satzungsänderung durch. Mittels dieser Satzungsänderung gewann die DITIB-Bundeszentrale in Köln direkten Einfluss auf den hessischen Landesverband. Sie erhielt weitreichende Machtbefugnisse, u.a. das Vorschlagsrecht, wer Mitglied im Landesvorstand werden kann und sicherte sich zudem die uneingeschränkte Befugnis, Amtsenthebungen durchzuführen. Diese Entwicklungen müssen aus unserer Sicht als wenig demokratisch beurteilt werden. Sie liefern allerdings deutliche Erklärungsmuster über politische Abhängigkeiten: Die DITIB-Bundeszentrale untersteht direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet, sie wiederum direkt dem türkischen Präsidenten Erdogan.
Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei wurden zurecht Zweifel an der Unabhängigkeit DITIBs von der türkischen Regierung laut. Kritisch gesehen werden mussten auch die von DITIB-Hessen vorgelegten Mitgliederverzeichnisse. Hintergrund der Mitgliederverzeichnisse ist, dass DITIB nur für Mitglieder den Pflichtunterricht durchführen darf. DITIB beansprucht allerdings, für alle muslimischen Schüler verantwortlich zu sein, nicht nur für türkische.
Die Landesregierung gab daraufhin Ende 2016 drei Gutachten zur Klärung in Auftrag. Die Gutachter, Prof. Dr. Josef Isensee, Prof. Dr. Matthias Rohe und Dr. Günter Seufert, legten ihre Befunde Ende 2017 vor. Die Landesregierung setzte DITIB-Hessen daraufhin eine Frist bis zum 31.12.2018, um den Nachweis zu erbringen, dass DITIB weder von der Bundeszentrale in Köln, noch von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gesteuert wird.
Kurz vor Fristablauf, im November 2018, führte DITIB-Hessen eine erneute Satzungsänderung durch, die DITIBs Unabhängigkeit nachweisen sollte. Gemäß neuer Satzung sollte der Bundesverband Köln weniger Einfluss haben. Beispielsweise könne Köln zukünftig keinen Landeskoordinator mehr entsenden. Und es solle kein Mitspracherecht mehr durch die türkische Religionsbehörde bei der Besetzung des Landesvorstandes geben. Als großes Fragezeichen bleibt dabei allerdings, inwiefern ein Landesverband seine Satzung ändern kann, ohne dass der Bundesverband dies in seiner eigenen übergeordneten Satzung angleicht? Die satzungsmäßige Bindung der Bundeszentrale Köln an Diyanet kommt in dieser Überlegung noch erschwerend hinzu.
Im vergangenen Jahr wurden durch die Landesregierung die von DITIB vorgelegte Satzungsänderungen und Mitgliederverzeichnisse geprüft, Nachbesserungen gefordert, sowie die drei Gutachter um Aktualisierung ihrer Gutachten gebeten.
Damit ist das Kapitel DITIB in Hessen vorerst geschlossen, mit Sicherheit wird es noch ein gerichtliches Nachspiel durch DITIB geben. Unabhängig davon, die Entscheidung des Kultusministers ist zu begrüßen. Wer sich in die Sache weiter vertiefen möchte, den weise ich hin auf meinen Antrag sowie meine Rede unter den Menüpunkten „Parlamentarische Initiativen“ sowie „Meine Landtagsreden“.