Sitzung der Stadtverordnetenversammlung Bensheim am 15.02.2018
Frau Stadtverordnetenvorsteherin, meine Damen und Herren,
sowohl der Ergebnisplan der Stadt für das Haushaltsjahr 2018 als auch die Finanzmittelplanung und der Vermögenshaushalt enthalten eine Reihe kritikwürdiger Punkte. Zu vier besonderen Punkten soll nun Stellung genommen werden.
- Das Minimalziel, ein positives „ordentliches Ergebnis“, erreicht die Stadt Bensheim nur mit Mühe und mit schlechteren Zahlen als in den Vorjahren. Für 2016 wird noch ein ordentliches Ergebnis in Höhe von +3 Mio. Euro ausgewiesen, für 2017 sind es nur noch +1,2 Mio. und für 2018 nur noch ca. 900.000 €. Diese fallende Tendenz in Haushaltsjahren, in denen selbst finanzschwächere Kommunen landauf, landab deutliche Haushaltsüberschüsse ausweisen und beginnen, Kassenkredite und andere Verbindlichkeiten abzubauen, müsste dem Stadtkämmerer viel Anlass zum Nachdenken geben. Wie man seine Hausaufgaben richtig macht, dazu gibt es beim Bund der Steuerzahler genügend praktische Hinweise, die genutzt werden sollten.
- Die ausgewiesenen Abschreibungen in Höhe von 5,01 Mio. in Bezug gesetzt zu den ordentlichen Aufwendungen in Höhe von 97,4 Mio. sind sehr niedrig. Daraus ergibt sich eine Abschreibungsintensität in Höhe von 5,1 %. Einer Orientierungswerttabelle für große kreisangehörige Städte kann man entnehmen, dass ein Wert zwischen 8 % und 10 % im Mittel üblich ist. In Konsequenz bedeutet das, dass Bensheim möglicherweise in der Vergangenheit Investitionen unterlassen hat, die in den Folgejahren zu höheren Abschreibungswerten hätten führen können.
- Positiv am Ergebnishaushalt ist, dass Bensheim über eine solide Steuerertragsbasis verfügt. 82 % der ordentlichen Erträge sind Steuereinnahmen. Das ist ein guter Wert. Doch machen wir uns hier nichts vor, dieser Wert ist nicht dem politischen Wirken der Koalition zu verdanken, sondern der Tatsache, dass die gesamte Region von Frankfurt über Darmstadt bis Mannheim und Heidelberg derzeit – und hoffentlich weiter andauernd – überaus wirtschaftsstark ist.
- Bei der Betrachtung des Finanzhaushalts ist besonders auffällig, dass der Finanzmittelfluss (also die Einzahlungen und Auszahlungen) aus Verwaltungstätigkeit im Verwaltungsergebnis in hohem Maß negativ ist. Einzahlungen in Höhe von 97.208.014 € stehen Auszahlungen in Höhe von 102.294.907 € gegenüber. Daraus ergibt sich eine Unterdeckung in Höhe von -5,1 Mio. Das heißt im Klartext: Bensheim kann sein normales Tagesgeschäft nicht aus seinen Einnahmen finanzieren. Wenn das Tagesgeschäft aber defizitär ist, muss das Defizit über Kassenkredite finanziert werden. Gerade Kassenkredite müssten aber nach dem Willen aller verantwortlich handelnden Kämmerer minimiert werden.
Die logische Konsequenz aus dem schwachen Jahresergebnis der Ergebnisrechnung, (es wird im Haushaltsjahr 2017 ein Wert von -1,4 Mio. und im Haushaltsjahr 2018 ein Wert von -1,8 ,Mio. ausgewiesen) ist, dass die bestehenden Verbindlichkeiten nicht etwa abgebaut werden, sondern sich sogar weiter erhöhen. Das ist alles andere als vorbildlich und widerspricht einer jeglichen, soliden, auf Schuldenabbau gerichteten Haushaltspolitik. Schauen wir genauer hin: ab dem Jahr 2016 gibt es folgende, negative Entwicklung, nämlich der Schuldenstand beträgt jeweils zum 31.12.:
2016 | 46,8 Mio. |
2017 | 48,1 Mio. |
2018 | 48,8 Mio. |
Und dies sind nur die Verbindlichkeiten des städtischen Haushaltes, denn Beteiligungen und Eigenbetriebe haben noch höhere Verbindlichkeiten.
Meine Damen und Herren, wann, wenn nicht jetzt, gedenkt die Stadt, ihre Verbindlichkeiten zu verringern? Man muss weiß Gott kein Haushalts- oder Finanzexperte sein, um zu wissen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, dass Schulden abgebaut werden können bzw. müssen. Schließlich hat die Stadt davon immer noch genug, nämlich schwindelerregende Schulden in Höhe von 50 Mio. €. Das ist für eine 40.000-Einwohner-Stadt bei weitem zu viel. Rechnet man noch die Schulden der Eigenbetriebe hinzu, dann kommt man insgesamt auf 150 Millionen € Schulden! Es gilt also, in guten Jahren Schulden abzubauen. Und es gilt darüber hinaus, dringend Abstand zu nehmen etwa von prestigeträchtigen, im Prinzip unnützen Investitionen in Höhe von insgesamt 8 Mio. für geplante Neubauten wie die am Marktplatz in Bensheim, inklusive des abenteuerlichen, geplanten Ankaufs der maroden Häuser 2 und 3. Hier freut sich nur einer: der Eigentümer, der hat die Stadt in der Preisgestaltung nun in der Hand, nachdem sie sich bereits törichterweise frühzeitig als potentieller Käufer aus dem Fenster gelehnt hat. Genauso schlimm, die Stadt geht hier ohne Anlass unternehmerische Risiken ein.
Meine Damen und Herren, diese Investitionen der Stadt am Marktplatz sind grundsätzlich abzulehnen, weil hier bereits von vorneherein feststeht, dass sie hoch riskant sind und sich nicht lohnen. Das weiß auch die Stadtverwaltung. Es sind keine vernünftigen Renditen zu erzielen, auch weil die Stadt völlig unübliche, finanzielle Zugeständnisse an die vorgesehenen Mieter vorsieht. Es ist ein weiterer Treppenwitz: die Stadt will ein neues Haus mit 6 Mio. € Kosten am Markt bauen, um dem Familienzentrum neue Räumlichkeiten auf Kosten der Steuerzahler zur Verfügung zu stellen. Dabei ist das Familienzentrum keineswegs obdachlos. Das riecht nach rechte Tasche, linke Tasche, zumal die Stadt der MEGB Ausfallbürgschaften in Höhe von 60.000 € p.a. gewährt. Man kommt dabei nicht umhin, hier stopft man sich gegenseitig die Taschen voll. Das ist kein verantwortlicher Umgang mit Steuergeldern.
Überhaupt muss man sich fragen, wo die Verantwortlichen eigentlich ihre Ohren haben! Es gibt doch seit langer Zeit unüberhörbare Widerstände aus der Bensheimer Bevölkerung, die 1.) einen Abriss des Hauses am Markt fordern, und 2.), dass an dieser Stelle kein Neubau entstehen soll. Wir erinnern daran, dass wir bereits einen Bürgerentscheid angestoßen haben. Davor hat die Verwaltung jedoch gehörig Angst. Ihr scheint es egal zu sein, wohin die Fahrt geht, Hauptsache, es sieht nach Aktion aus. Meine Damen, meine Herren, wir sind für den Abriss und für einen freien Marktplatz, mit freiem Blick zur Kirche St. Georg. Das spart nicht nur Millionen von Euro. Es würde dem Marktplatz mit dem wieder gewonnenen Blick auf St. Georg auch seine Würde zurückgeben. Wir brauchen keine weiteren Kaufhäuser oder Gaststätten am Marktplatz. Es kommt doch kein Vernünftiger auf die Idee, vor dem Kölner Dom oder vor dem Limburger Dom einen wie immer architektonisch gearteten Klotz hinzustellen, der den Blick auf St. Georg verwehrt. Noch dazu den freien Blick auf eine christliche Kirche – ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Neben dem freien Blick auf St. Georg fordern wir: keine neuen Häuser am Markt und Schuldenabbau jetzt! Bessere Rahmenbedingungen werden demnächst nicht kommen. Im Gegenteil, die seit acht Jahren anhaltende konjunkturelle Aufschwungbewegung kann jederzeit enden. Möglicherweise ist das Haushaltsjahr 2018 das letzte gute Jahr, in dem es Kommunen möglich sein wird, sich aus eigener Kraft zu entschulden. Spare in der Zeit, so hast Du in der Not, so lautet das Sprichwort. Bensheims Stadtväter halten offensichtlich wenig von Volksweisheiten. Deren Haushaltsführung ähnelt der Haushaltsführung Griechenlands. Mit dem griechischen Modell, Schulden machen auf Kosten anderer, lebt es sich offensichtlich gut, dort wie hier.
Abschließend möchte ich noch Anmerkungen zum Vermögenshaushalt (Bilanz) machen.
Der Bensheimer Haushalt weist Abschreibungen in Höhe von 5,1 Mio. aus, ohne dass Verbindlichkeiten in gleicher Höhe abgebaut werden. Das heißt nichts anderes, dass die Stadt Vermögensverzehr betreibt. Um keinen Substanzverlust im Vermögenshaushalt auszuweisen, müsste der Schuldenabbau jedoch mindestens so hoch sein wie der Wert der Abschreibungen. Dieser Haushalt lebt von der Substanz, meine Damen und Herren!
Genau dieser Substanzverlust lässt sich auch aus der Bilanz des Jahres 2016 ablesen, wenn man die Werte des Eigenkapitals mit der Schlussbilanz des Jahres 2008 (Beginn der Doppik) vergleicht. Wie den grünen Seiten des Vorberichtes zu entnehmen ist, hat die Schlussbilanz des Jahres 2008 noch einen Eigenkapital-Anteil von 56,3 % ausgewiesen. In der vorliegenden Bilanz des Jahres 2016 ist die Eigenkapitalquote auf 42,1 % geschrumpft, und die noch nicht vorliegende Bilanz des Jahres 2017 wird keine besseren Werte aufweisen. Für jede Art von Vermögensbilanz gilt: Je niedriger die Eigenkapitalquote, umso geringer ist die finanzwirtschaftliche Stabilität, meine Damen und Herren!
Der BdSt fordert: „Die Eigenkapitalquote eines kommunalen Haushaltes sollte mindestens 50 % betragen, um die Gefahr einer Überschuldung zu verhindern.“
Dieses vom BdSt formulierte Minimalziel verfehlt die Vermögensbilanz der Stadt Bensheim meilenweit, das ist ein Offenbarungseid.
Fassen wir zusammen:
Bensheim lebt im konsumtiven Bereich über seine Verhältnisse und im Vermögensbereich von der Substanz.
Das ergibt sich aus dem negativen Saldo des Verwaltungsergebnisses (-5,1 Mio. €) in der Finanzmittelrechnung und aus der über die letzten Jahre stetig gesunkenen Eigenkapitalquote der Bilanz. Auch der stetig anwachsende Berg von Verbindlichkeiten ist ein Indikator.
Dafür den Wegfall eines Gewerbesteuerzahlers (wie SAP) oder erhöhte außerordentliche Aufwendungen bzw. verminderte außerordentliche Erträge verantwortlich zu machen, wie dies im Konsolidierungsbericht geschrieben wird, ist eine nicht zu akzeptierende Ausrede. Eine nachhaltige Haushaltspolitik muss mit den Wechselfällen der Konjunktur und des Steueraufkommens kalkulieren.
Wir fordern daher mit Nachdruck, die Überschuldung der Stadt nicht mit ökonomisch unsinnigen Prestigebauten weiter in die Höhe zu treiben. Schulden müssen abgebaut werden, das ist die Hauptaufgabe der Verwaltung. Und Aufgabe ist es auch, in guten Zeiten denjenigen etwas zurückzugeben, die mit ihrer Steuerlast zur derzeitigen guten Konjunktur in erheblichem Maß beitragen. Die Stadt wäre gut beraten, etwa die Hebesätze für die Grundsteuer B zurückzufahren. Das wäre einmal eine gute Nachricht aus dem Rathaus.
Wir können dem Haushaltsplan 2018 und dem in unseren Augen aufgeblähten Personalplan mit hoch eingestuften Besoldungsgruppen nicht zustimmen. Wir lehnen ihn ab. Und wir lehnen natürlich auch den Änderungsantrag der Koalition ab, er ist aus demselben Muster gestrickt und lässt die Schuldenlast nur weiter unverantwortlich steigen.