Ein Jahr im Hessischen Landtag – Ein Rückblick

„Die Zusammensetzung des neugewählten Landtages, Verdruss hin, Freude her, ist Spiegelbild gesellschaftlicher Wirklichkeit und nichts Ungewöhnliches.“ Die Worte stammen aus meiner Rede als Alterspräsident des Hessischen Landtages in der Konstituierenden Sitzung am 18. Januar 2019.

Seit einem Jahr ist die AfD-Fraktion mit 18 Abgeordneten im Hessischen Landtag vertreten. Dem Verdruss der Abgeordneten der anderen fünf Fraktionen steht die Freude meinerseits entgegen, unseren Wählern und der AfD auch auf Landesebene nach bestem Wissen und Gewissen Gehör zu verschaffen.

Bereits mein erster Antrag vom 29. Januar 2019, Beendigung der Kooperation mit DITIB, war ein wahrer Stich in das sprichwörtliche Wespennest. Seit dem Schuljahr 2013/2014 ist DITIB ein von zwei Kooperationspartnern des Kultusministeriums bei der Durchführung des bekenntnisorientierten Islamunterrichts bis zur Jahrgangsstufe 6 an Hessens Schulen. Einerseits sind der Landesregierung alle guten Gründe zur Beendigung der Kooperation mit dem umstrittenen Islamverband bewusst, andererseits kann sie sich ganz offensichtlich aus parteitaktischen Gründen nicht dazu durchringen einem mehr als vernünftigen AfD-Antrag zuzustimmen. Diese Haltung ist Ausdruck unvermindert anhaltender Distanzeritis und Ausgrenzeritis, die ich bereits in meiner Ansprache als Alterspräsident kritisierte. Sie ist unter aufgeschlossenen Parlamentariern als ungebührlich zu werten, führt aber eines deutlich vor Augen: selbst wenn wir als Opposition, noch dazu als Vorreiter für die Beendigung der Kooperation mit DITIB die gleichen Gründe benennen, die auch die Landesregierung anführt bzw. anführen wird, wird nicht im Sinn des Gemeinwohls gehandelt. So setzt sich eine unendliche Geschichte bis zum heutigen Tag fort.

Eine im Vergleich hierzu positive Überraschung ist die Auskunftsfreudigkeit der Landesregierung. Bei „Kleinen Anfragen“ können bis zu 10 Fragen zu einem konkreten Thema gestellt werden. Erfreulicherweise wurden meine Anfragen und Berichtsanträge bislang ausführlich und umfassend beantwortet. Das trifft auch auf Kleine Anfragen zu, für deren Beantwortung die Zuständigkeit nicht bei Hessischen Ministerien liegt. So wurde z. Bsp. meine Anfrage „Sprachkurse für Migranten“ an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Bereitstellung der Daten weitergeleitet.

Kleine Anfragen dienen dem Informationsgewinn, sie stellen als Initiativen jedoch auch eine Kontrollmöglichkeit der Regierungsarbeit dar. Sie sind darüber hinaus ein nicht zu vernachlässigendes Werkzeug, um Themen und erhaltene Informationen über die Medien der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der überwiegende Teil meiner bisherigen Initiativen beschäftigt sich mit der Bildungspolitik: Lehrermangel, Unterrichtsausfall, Quereinsteiger, Förderschulen, IQB-Bildungstrend, Umsetzung des Digitalpakts, um nur einige zu nennen. Nicht nur zu meiner Überraschung erhebt das Kultusministerium nach wie vor keine Daten zum Unterrichtsausfall an hessischen Schulen. Begründung: Man müsse zuerst das Wort „Unterrichtsausfall“ definieren. Diese Begründung mutet reichlich seltsam an, ist Unterrichtsausfall ja kein neues Phänomen, von dem das Kultusministerium gerade eben erst kalt erwischt wurde. Man könnte es mit der Definition „Unterrichtsstunden, die nicht planmäßig gehalten werden können“ versuchen. Meine Befürchtung ist, dass mit dieser Definition der Unterrichtausfall noch gravierender wäre, als es Erhebungen der Landesschülervertretung und des Landeselternbeirats schon jetzt nahelegen.

Die Bildungspolitik in Deutschland und in Hessen ist zunehmend in eine Schieflage geraten. Lehrermangel und daraus resultierender Unterrichtsausfall ist nur der für die Öffentlichkeit sichtbarste Mangel in unserem Bildungssystem. Eine kontinuierliche Absenkung der Bildungsstandards führt zwar zu mehr Abiturienten, rund die Hälfte eines Jahrgangs schließt die Schule mit dem Abitur ab, jeder vierte hatte im Jahr 2018 eine Eins vor dem Komma stehen, die Kehrseite ist aber, dass Universitäten sogenannte Brückenkurse anbieten müssen, um Studierende vorwiegend in den MINT-Fächern auf ein studierfähiges Level zu bringen. Die im Dezember 2019 vorgestellt PISA-Studie ergab, dass in Deutschland jeder fünfte fünfzehnjährige Schüler nur einfache Sätze lesen und verstehen kann. Da mittlerweile jeder fünfte Bewerber am Deutschtest scheitert, ändert die Bundespolizei ihre Anforderungen an Bewerber: bislang waren 20 Fehler in einem 180 Wörter umfassenden Diktat erlaubt, zukünftig fällt man erst nach 24 Fehlern durch. Das ist nur ein Beispiel für den Niedergang unseres Bildungssystems. Für mich, als Diplom-Pädagoge und Studienrat a.D., sind das unhaltbare Zustände.

In den kommenden vier Jahren im Hessischen Landtag werde ich mich weiter mit aller Kraft für die Verbesserung unseres Bildungssystems einsetzen, kompromisslos auf Missstände aufmerksam machen und den Finger in die Wunde legen. Bildung ist nicht nur Ländersache, Bildung ist unser aller Zukunft!

Unter den Menüpunkten „Parlamentarische Initiativen“ und „Meine Landtagsreden“ können Sie meine bisherige Arbeit im Hessischen Landtag verfolgen.

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